Auslassen

Zeigen durch nicht Zeigen

Filme zeigen uns nicht alles. Natürlich nicht, es liegt in der Natur der Sache. Bei einer Aufnahme von einem springenden Ball, mit 25 Frames in der Sekunde, werden schließlich pro Sekunde nur 25 Fotos vom Ball in unterschiedlichen Positionen gemacht. In Teilen wird nicht festgehalten wie er an einer Bestimmten Stelle ist.

Aber das ist nur auf den Technischen Vorgang des Aufnehmens zurückzuführen. Hier geht es um bewusstes Nicht-zeigen. Und trotzdem sehen. Also Stellen, an denen der Regisseur etwas so nicht gezeigt hat, dass uns trotzdem bewusst oder unterbewusst klar ist, was gemeint war.

Einen wichtigen Teil spielt dabei natürlich unsere Vorstellungskraft, die phantasievoll die Lücke schließt oder die Filmwelt ergänzt. Warum aber greifen Regisseure darauf zurück?

Hays Code und Zensur

In den USA wurde 1930 der Motion Picture Production Code eingeführt. Bekannt ist er umgangssprachlich auch als Hays Code, benannt nach dem damaligen Leiter der Motion Picture Producers and Distributors of America, Will H. Hays. Der Code sollte dafür sorgen, dass die nach Meinung der Behörden immer zügelloseren Filmproduktionen Anstand bewahrten. Die Liste war unterteilt in „Don’ts“, also Verbote, und „Be Carefuls“, also Themen mit denen man als Filmschaffender vorsichtig umgehen sollte. Darin enthalten waren heute noch nachvollziehbare Punkte wie Kriminalität,  Waffengelwalt und Drogen aber auch heute  skurril anmutende bis undenkbare Punkte wie das Darstellen weißer Sklaverei, oder ein sexuelles Verhältnis zwischen einer weißen und einer schwarzen Person.

All diese Einschränkungen schienen aber die Kreativität der Regisseure zu befeuern, schließlich trauerten viele dem Code ein wenig nach, als er 1968 abgeschafft und durch das heutige System der Alterseinstufung durch die MPAA ersetzt wurde.

Ein bekanntes Beispiel für den kreatives Umgehen ist die Endszene von Alfred Hitchcocks’ 1959 erschienenen Film „Der unsichtbare Dritte“ („North by Northwest“). Zunächst ist das Protagonistenpaar auf einer Schlafliege in einem Zug zu sehen, direkt danach, die letzte Einstellung, zeigt, wie der Zug in ein Tunell einfährt. Also eine Andeutung des Geschlechtsaktes, die Darstellung tatsächlichen Geschlechtsverkehrs wurde ausgelassen.

Stilmittel

Natülich kommt das Auslassen auch als geplantes Stilmittel zum tragen. Regisseure sind sich der Wirkung von Fehlendem bewusst und setzten es gezielt ein um bei uns ein bestimmtes Gefühl auszulösen.

Der mexikanische Regisseur Alejandro González Iñárritu zeigt bei seinem Segment des Episodenfilms „11’09“01 September 11“ von 2002 fast ausschließlich ein schwarzes Bild, unterlegt mit Audiospuren aus Nachrichtenbeiträgen oder gar Anrufe aus den gekidnappten Flugzeugen vom 11. September 2001. Nur hin und wieder ist für wenige Sekunden ein Filmschnipsel, auch aus Nachrichtenbeiträgen oder auch Amateuraufnahmen zu sehen.

Martin Scorsese arbeitet damit, Umgebungsgeräusche auszublenden. „Wie ein wilder Stier“ („Raging Bull“, 1980)zeigt die Geschichte eines Boxers. In einem der zentralen Kämpfe wird, kurz bevor der Hauptcharakter einige besonders harte Schläge einstecken muss, der Umgebungston ausgeblendet. Im Zusammenspiel mit dem in Zeitlupe ablaufenden Film, erzeugt das eine unwirkliche, spannungsgeladene Stimmung.

Produktionsschwierigkeiten

Einen Film erfolgreich fertigzustellen hängt von vielen Faktoren ab. Also gibt es auch viele Stellen an denen etwas schiefgehen kann. Das musste auch Steven Spielberg feststellen, als er den Film „Der weiße Hai“ („Jaws“, 1975)drehte. Das mechanische Haimodell machte durchweg Probleme, so dass es für den Dreh vieler Szenen unbrauchbar war. Spielberg erinnerte sich an Hitchcocks Herangehensweise zum Spannungsaufbau (die sich auch durch nicht-zeigen auszeichnete), und beschloss viele der Szenen ohne Hai im Bild sichtbar zu drehen. Als der Film in die Kinos kam, verbreitete die nun unbekannte Gefahr bei den Zuschauern Angst und Schrecken.  So hat das erzwungene Auslassen zur Verbesserung des Films beigetragen.

Es gibt also mehrere Faktoren die dafür sorgen können, dass etwas im Film bewusst ausgelassen wird. Heute ist es in den meisten Fällen wohl künstlerische Intention. Die günstigen und oft nahezu perfekten Computeranimationen machen es heute, in einigen Fällen leider, nichtmehr nötig, aus Budget- oder Aufwandsgründen darauf zu verzichten etwas nicht zu zeigen. Es liegt also bei den Filmemachern, mit Zeigen und nicht-Zeigen sinnvoll umzugehen.

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